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Katja Stergar at the Guest of Honour Handover Ceremony 2022

© Frankfurter Buchmesse / Marc Jacquemin

Wir sprachen mit Katja Stergar, die als Direktorin der Slowenischen Buchagentur (JAK) das Projekt des Ehrengastauftritts Sloweniens auf der Frankfurter Buchmesse 2023 leitet.

Herzlichen Glückwunsch, Sie haben vor Kurzem die Leitung für das Projekt des slowenischen Ehrengastauftritts auf der Frankfurter Buchmesse 2023 übernommen. Was ist Ihrer Meinung nach die Botschaft, die mit dem Auftritt Sloweniens an die internationale Verlagsbranche übermittelt werden soll?

Es spielt keine Rolle, wo auf der Welt ein Autor seine Literatur schreibt, es kommt darauf an, welche Art von Literatur es ist. Es spielt auch keine Rolle, in welcher Sprache man schreibt, es kommt darauf an, was man schreibt. Wo auch immer wir uns auf der Welt befinden, es kommt auf das Verständnis dessen an, was geschrieben und was gesagt wird. Worte wecken Neugier und bauen Brücken.

Das Motto der slowenischen Ehrengastpräsentation lautet „Waben der Worte“. Erzählen Sie uns mehr darüber.

Der Vorteil unseres Mottos ist, dass jede*r es anders interpretieren kann. Für mich sind Bienenstöcke und Bienenwaben eine Metapher für die Welt; die Klänge und Worte der ganzen Welt sind miteinander verwoben, die Welt ist niemals still. Aber es gibt eine sprachliche Ordnung, es gibt Regeln, um sich gegenseitig zu verstehen, auch wenn jeder von uns einzigartig ist.

Sie kennen die Buchmesse auch durch Ihre Teilnahme am Europäischen Netzwerk für literarische Übersetzung (ENLIT). ENLIT hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Sichtbarkeit verschiedener Literaturen über die europäischen Grenzen hinaus zu erhöhen. Wie schätzen Sie den Markt für Übersetzungen von slowenischer Literatur ein? Was sind die größten Herausforderungen?

Slowenisch ist eine Sprache, die von einer kleinen Zahl Menschen gesprochen wird; sie wird jedoch auch von Menschen außerhalb Sloweniens gelernt. Es ist wichtig, dass Angehörige slowenischer Minderheiten in anderen Ländern die Möglichkeit haben, slowenische Schulen zu besuchen, und es ist auch äußerst wichtig, dass es slowenische Lektorate und die Möglichkeit gibt, Slowenisch an 58 internationalen Universitäten zu studieren. Obwohl das Niveau der Fremdsprachenkenntnisse in Slowenien hoch ist – wir leben am Schnittpunkt slawischer, germanischer, romanischer und finno-ugrischer Sprachen – sind Übersetzer*innen für uns von unschätzbarem Wert. Ohne hervorragende Übersetzungen in andere Sprachen wäre die Sichtbarkeit unserer Literatur verschwindend gering. Deshalb bietet das Zentrum für Slowenisch als Zweit-/Fremdsprache neben Studienaufenthalten im Ausland auch eine Grundausbildung für Interessierte im Rahmen von Sommerseminaren an und die Slowenische Buchagentur organisiert jährlich ein Seminar über das Übersetzen slowenischer Literatur für erfahrene Übersetzer*innen. Ausländische Verlage entscheiden sich auch aufgrund von Anreizen – z.B. der Kofinanzierung von Übersetzungen und der Kofinanzierung von Druckkosten – für die Übersetzung slowenischer Literatur. Eine wichtige Rolle spielen auch die Vertreter der Verlage, die ihren ausländischen Kollegen Bücher vorstellen.

Trotz all unserer Bemühungen ist unser größtes Problem derzeit der Mangel an erstklassigen Übersetzern - jeder möchte ein neues Buch eines slowenischen Autors haben. Aber in gewisser Weise sind das glückliche Sorgen.

Mit seiner Beteiligung am EU-Projekt "Every Story Matters" hat Slowenien eine aktive Rolle dabei übernommen, Bücher inklusiver zu gestalten, um eine vielfältigere Leserschaft anzusprechen. Können Sie uns mehr über Ihre diesbezüglichen Ziele und Projekte erzählen?

Das EU-Projekt Every Story Matters ist eines der schönsten und wichtigsten Projekte, an denen ich je beteiligt war. Partner aus Belgien, Portugal, Syrien/Deutschland, Slowenien, Kroatien und den Niederlanden haben sich entschlossen, die Erstellung von inklusiveren Kinder- und Jugendbüchern zu fördern und Buchfachleuten (Autoren, Illustratoren, Verlegern, Bibliothekaren und Redakteuren) die notwendigen Instrumente und Strategien an die Hand zu geben, um inklusiver zu werden. Theoretisch hat jeder ein Recht darauf, Literatur zu entdecken und Geschichten zu erfinden, unabhängig von seinem sozioökonomischen oder kulturellen Hintergrund, seinem Geschlecht, seinen sexuellen Vorlieben oder seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten, aber wir waren uns bewusst, dass dies nicht der Fall ist.

Wir regen die Verlage dazu an, bei den Buchinhalten integrativer zu werden. Wir begannen mit Workshops für Fachleute aus der Buchbranche, organisierten dann B2B-Treffen für Verleger und richteten eine B2B-Online-Plattform ein.

Außerdem gaben wir sechs jungen Schriftstellern und Illustratoren aus sechs verschiedenen europäischen Ländern die Chance, integrative Geschichten für Kinder zu schreiben. Die Teilnehmer nahmen an Workshops und Online-Masterclasses teil, um ihr Wissen über inklusives Geschichtenerzählen zu vertiefen, und präsentierten ihre Bücher schließlich auf der Frankfurter Buchmesse.

Das Projekt beschäftigte sich mit der Erforschung und dem Verständnis verschiedener Konzepte von Vielfalt und Integration. Deshalb organisierten wir spezielle Workshops für Bibliothekare, Lehrer und andere Pädagogen, die sich mit Bibliodiversität befassten. Bei der Diskussion über die Charta zur Inklusion haben wir uns am Ende für eine Inklusionsplattform entschieden - wir haben festgestellt, dass ähnliche Workshops in ganz Europa benötigt werden.

Im Rahmen des ESM-Projekts wurden auch die Möglichkeiten der Barrierefreiheit und Neuerungen für Buchverleger und Leser vorgestellt. Bei der Vorbereitung von Büchern, die veröffentlicht werden sollen, müssen wir über die Vielfalt des Buchformats nachdenken.

Vielen Dank für das Interview!

 

Das Interview führte Ines Bachor, Frankfurter Buchmesse.